Der Steyr-Daimler ADFK, Baujahr 1937
 

Die Bewahrung historisch wertvollen Kulturgutes gehört nicht unbedingt zu den vorrangigen Aufgaben einer Freiwilligen Feuerwehr.

Und dennoch widmet sich unsere Feuerwehr seit einigen Jahren verstärkt ihrer eigenen, mittlerweile 150-jährigen Geschichte, um solcherart wertvolle fotografische Dokumente, schriftliche Unterlagen, Ausrüstungsgegenstände und Gerätschaften für die Nachwelt zu bewahren. Für dieses Engagement wurde die Brucker Wehr im Jahr 2012 gleich in zweifacher Hinsicht belohnt.


Geländewagen in Groß St. Florian, Juni 2011

Der Steyr-Daimler ADFK, Baujahr 1937

Nach der erfolgreichen technischen Wieder-Inbetriebnahme des historischen Geländewagens der Brucker Wehr im Jahr 2008 konnten in jüngster Zeit beachtliche Erkenntnisse in der Erforschung dieses Automobils gewonnen werden.

Der tradierten Meinung innerhalb der Feuerwehr zufolge handle es sich um ein ursprünglich als Panzerspähwagen in Verwendung stehendes Fahrzeug, von dem insgesamt nur sechs Stück gebaut worden wären. Da sich die Konstruktion aufgrund der Luftkühlung für den Wüsteneinsatz(!) nicht als funktionsfähig erwiesen hätte, wären die Fahrgestelle verkauft worden und eines davon wäre solcherart zur Feuerwehr Bruck gelangt.

Eine interessante Geschichte, die einer Überprüfung bedurfte.

Laut Einzelgenehmigungsbescheid vom 4. November 1957 (der ursprüngliche Kraftfahrzeugbrief wurde "von Amts wegen eingezogen") wurde das Fahrzeug, Baujahr 1937, am 26. April 1939 unter dem Kennzeichen Pol–206.042 für die Feuerwehr Bruck erstmals zugelassen. Neben den technischen Daten und der Verwendung "Mannschafts- und Rüstkraftwagen mit offenem Aufbau" ist in diesem Dokument auch die Typenbezeichnung ADPK vermerkt. Nach Sichtung der bekannten Literatur über Fahrzeuge aus Steyr kann festgehalten werden, dass es sich dabei wohl um einen Tippfehler handelt. In einer erhalten gebliebenen Beschreibung des Fahrzeuges samt Instand-haltungshinweisen ist von der Type ADFK die Rede. Diese Bezeichnung steht für "Austro-Daimler-Feuerwehr-Karre" und dieser Typ wurde von Steyr zwischen 1932/33 und 1939 auch tatsächlich gebaut. Es handelte sich dabei allerdings um ein 3-achsiges Fahrzeug, weswegen auch diese Typenbezeichnung nicht zutreffend sein kann. Zum Zeitpunkt der nachträglichen "Benennung" des Zweiachsers stand die Verwendung als Feuerwehrfahrzeug jedoch schon fest und so wird man bei Steyr zur Bezeichnung ADFK gekommen sein.

In den greifbaren Publikationen werden jedoch zwei Fahrzeugtypen erwähnt, die idente technische Daten wie der Brucker Geländewagen aufweisen:
Der ADSK ("Spähkarre") und der ADZK ("Zugkarre").

Während der ADSK gepanzert war und maximal fünf Personen aufnehmen konnte, hatte der ADZK einen offenen Aufbau mit 14 Sitzplätzen. Von beiden Typen wurden nur jeweils sechs Exemplare gebaut, was eine der überlieferten Thesen bestätigt. Allerdings waren Motor und Lüfter des Panzerspähwagens ADSK historischen Aufnahmen zufolge im Heck des Fahrzeuges untergebracht, während der Motor des Gelände-Zugwagens ADZK im vorderen Teil des Fahrzeuges situiert war. Und an dieser Position sind auch Motor und Lüfter des Brucker Geländewagens untergebracht. Der Fachliteratur zufolge war der ADZK vorne mit einer Pendel- und hinten mit einer Schwingachse ausgestattet, der ADSK hingegen wies – wie auch das Brucker Fahrzeug – zwei Schwingachsen auf. Und schließlich hat sich im Archiv der Feuerwehr ein Schreiben an das Wirtschaftsamt des Reichsgaus Steiermark vom 8. September 1939 erhalten, in welchem vom Rüstwagen Steyr ADSK die Rede ist.
Drei Hinweise, die auf den Gelände-Zugwagen denn auf den Panzerspähwagen schließen lassen.

 


Panzerspähwagen ADSK
(Martin Pfundner, Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion,
Wien-Köln-Weimar 2007, S. 234)


Geländezugwagen ADZK
(Martin Pfundner, Austro Daimler und Steyr. Rivalen bis zur Fusion,
Wien-Köln-Weimar 2007, S. 234)

 

Wertgutachten

Wie auch immer: Um die zweifellos vorhandene historische Bedeutung des Fahrzeuges auch offiziell bestätigen zu lassen, ließen wir 2012 ein Wertgutachten erstellen.

Erfreulicherweise kam der gerichtlich beeidete Sachverständige darin zum Schluss:
"Von den insgesamt 12 gebauten Fahrzeugen aus der Baureihe ADSK (6 Fahrzeuge), ADZK (3 Fahrzeuge) und ADEK (3 Fahrzeuge) gilt das gegenständliche Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Bruck an der Mur als das weltweit einzige, noch erhaltene Exemplar und ist damit auch einer der wichtigsten Zeitzeugen der österreichischen Fahrzeugbau-Geschichte des 20. Jahrhunderts."

 


Begutachtung des Geländewagens durch Sachverständige


Die Jury bei der Klassifizierung

 

Klassifizierung

Einen weiteren Beweis des historischen Wertes des Fahrzeuges lieferte die im November 2012 durchgeführte Klassifizierung zum Feuerwehroldtimer nach den Richtlinien des internationalen Feuerwehrverbandes, die im Rahmen eines Feuerwehrgeschichte-Lehrganges an der FWZS in Lebring durchgeführt wurde.

Aufgrund seines technisch guten Zustandes, der Fahrfähigkeit sowie der vorhandenen umfangreichen Dokumentation konnte sich die Brucker Feuerwehr über eine Einstufung des Geländewagens in der 1. Klasse und somit die Verleihung der Goldplakette freuen.

Der Bewertungsjury gehörten EBFR Dr. Alfred Zeilmayr, EOBR Johann Sallaberger (Vorsitzender SG 1.5 ÖBFV) sowie HBM i.R. der BF Wien, Ferdinand Molzer an.

Maschinenmeister Gerald Sollgruber konnte aus den Händen von LBDS Gerhard Pötsch die Klassifizierungsurkunde entgegennehmen.

 


Übergabe der Klassifizierungsurkunde


Goldplakette

 


Zeitungsbericht "Der Standard - Wochenende" vom 10.04.2021